Facebook, Instagram, Twitter, Whatsapp und Snapchat sind mittlerweile Begriffe, die so gut wie jedem Menschen und noch mehr allen E-Commerce Marketern bekannt sind. Doch seit geraumer Zeit gibt es einen weiteren aufstrebenden Stern am Social Media Himmel, der selbst Millennials alt fühlen lässt - TikTok.
Die chinesische Plattform liefert beeindruckende Zahlen, mit denen sie teilweise die etablierten sozialen Netzwerke in den Schatten stellt. Das Engagement, welches die Nutzer von TikTok an den Tag legen, ist unvergleichbar und setzt somit andere soziale Plattformen zunehmend unter Druck. In einem unfreiwillig veröffentlichten Video spricht Facebook Gründer Mark Zuckerberg von einem “interessanten Phänomen”. Doch was genau ist TikTok, wer verwendet es und welchen Nutzen können E-Commerce Unternehmen daraus ziehen? All das und weitere spannende Zahlen und Fakten kannst Du im folgenden Beitrag erfahren.
Bevor wir versuchen zu verstehen was diese App so erfolgreich macht und was das Erfolgsgeheimnis sein könnte, gehen wir einen Schritt zurück und geben einen kurzen Überblick über die Gründungsphase.
Die App wurde im September 2016 in China als Douyin vom Mutterkonzern BytteDance eingeführt und im darauffolgenden Jahr auch außerhalb Chinas unter dem Namen TikTok gelaunched. Interessant ist dabei, dass Douyin in nur 200 Tagen entwickelt wurde. Mit dem Kauf von Musical.ly um kolportierte eine Milliarde US Dollar, das sich vor allem in den USA großer Beliebtheit erfreute, hat die Muttergesellschaft nochmal sprichwörtlich Wind in TikToks Segeln geblasen. Obwohl sich Douyin und TikTok kaum unterscheiden, laufen sie übrigens auf verschiedenen Servern, um den chinesischen Zensurvorschriften zu genügen.
Doch was genau macht TikTok zu einem attraktiven Partner für E-Commerce Unternehmen und wie differenziert sich die App von seiner Konkurrenz?
Es gibt aktuell wohl keinen schnelleren Weg für Online Unternehmen von jungen Menschen gesehen zu werden als mithilfe von TikTok. Weltweit haben mittlerweile mehr als 2 Milliarden Menschen, der Großteil davon Teenager, die App heruntergeladen und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. TikTok hat es geschafft in 3 Jahren so viele monatliche User zu erreichen, wie etwa Instagram in einer Zeitspanne von 6 Jahren. Um auf eine Milliarde Nutzer zu kommen, hat TikTok (2 Jahre) nur ein Viertel der Zeit des Platzhirsches Facebook (8 Jahre) gebraucht.
Die Top 50 Creators (so heißen die aktiven User) haben mehr Follower als Einwohner von Mexiko, Kanada, UK, Australien und USA gemeinsam (fast 8% der Weltbevölkerung). Bei den Downloads erreicht TikTok im Jahr 2019 in Nordamerika Platz 4 und lässt damit andere Größen der Branche, wie Instagram, Snapchat, Spotify, Netflix etc. hinter sich. Das macht das chinesische Unternehmen zu der einzigen Marke innerhalb der Top 5, die nicht zum Facebook Konzern gehört. Beeindruckend ist auch Platz 7 im Downloadranking des ganzen Jahrzehnts (2010-2020). Trotz des jungen Alters des Netzwerks, konnten also Giganten wie Twitter und Youtube überholt werden.
Die Mission des Netzwerks ist es zu ermöglichen Kreativität, Wissen und die wertvollen Momente des Lebens einfach und direkt mit dem Handy einzufangen und zu teilen. Am meisten differenziert sich TikTok von seiner Konkurrenz dadurch, dass es sich mehr um eine Unterhaltungsplattform als um eine Lifestyle-Plattform handelt. Dabei werden vorwiegend Kurzvideos (5-15 Sekunden) geteilt. Diese Videos stehen oft in Verbindung mit Musik und sollen lustig, emotional oder beeindruckend sein und dadurch andere Nutzer unterhalten. Täglich werden über eine Milliarde solcher Videos geteilt.
Wie bereits erwähnt gehören vorwiegend junge Menschen zur Zielgruppe von TikTok. So sind etwa 60% der U.S Nutzer zwischen 16 und 24 Jahren alt. Andere Schätzungen sprechen sogar von deutlich mehr jungen Nutzern weltweit. Diese User stellen auch für den E-Commerce eine äußerst attraktive Zielgruppe dar. Darüber hinaus zeichnen sich TikTok User, die mehrheitlich aus Indien, China und den USA kommen, über ein überdurchschnittlich hohes Engagement aus. Während viele Apps oft nur heruntergeladen, einmal verwendet und dann vergessen werden, verwenden 90% der TikTok User die Plattform täglich. Darüber hinaus wird das Netzwerk durchschnittlich 8 mal pro Tag geöffnet.
Es ist kaum verwunderlich, dass TikTok den größtmöglichen Nutzen aus seiner beträchtlichen Nutzerzahl ziehen möchte. Schaut man sich die internetaffine Zielgruppe an, spielt dabei selbstverständlich der E-Commerce eine entscheidende Rolle. Seit November 2019 testen die Betreiber von TikTok den sogenannten Social Commerce. Darunter kann man sich E-Commerce Links vorstellen, durch die ein Kauf von verschiedensten Produkten innerhalb der App ermöglicht wird und die eine neue Methode für fortschrittliche Marketer darstellt, die eigenen Produkte zu bewerben und zu verkaufen.
Creators helfen dabei Marken zu vermenschlichen und werden von vielen enthusiastischen, meist jungen Menschen gesehen. Davon träumt doch beinahe jeder E-Commerce Unternehmer. Zudem gab die Plattform im Oktober 2020 eine Kooperation mit Shopify bekannt, um den mehr als eine Million Händlern, die das kanadische Shopsystem nutzen, zu ermöglichen, das jüngere Publikum auf TikTok zu erreichen. Damit wird In-App-Shopping möglich, was die Social-Commerce-Ambitionen von TikTok weiter vorantreibt.
Des Weiteren sprechen die kaum vorhandenen Hürden für einen Werbeversuch als wachstumsorientiertes E-Commerce Unternehmen bei TikTok. Die Plattform ermöglicht es Managern und ambitionierten Marketern mit einem neuen vielversprechenden Phänomen zu experimentieren und neue Zielgruppen zu erschließen. Außerdem scheint die junge Zielgruppe, zumindest im US amerikanischen Markt, durchaus zahlungsbereit zu sein. Von 2018 bis Ende 2019 haben sie mehr als 23 Million US Dollar für die virtuelle Währung innerhalb des Netzwerkes ausgegeben, womit man dann “lediglich” Emojis und dergleichen versenden kann.
Viele Führungskräfte im E-Commerce werden spätesten jetzt das Potenzial dieses neuen Phänomens erkennen. Trotz der attraktiven Zahlen werden aber zurzeit in den USA nur 3,7% der Inhalte von Unternehmen kreiert. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl für das Netzwerk in Europa noch deutlich darunter liegt. Knapp 4% der Social Media Marketer werben auf dieser Plattform. Auch diese Zahlen stammen vom amerikanischen Markt. Das mag schon für sich gesehen wenig klingen, setzt man sie aber in Relation mit Facebook (89%) und Instagram (65%) sieht man, dass großer Nachholbedarf vorhanden ist. Dies stellt also für viele E-Commerce Unternehmen eine große Chance dar.
Woran liegt es also, dass nur wenige Unternehmen aktiv werden und welche Möglichkeiten bieten sich für E-Commerce Unternehmen, die eigene Marke durch diesen innovativen Kanal zu promoten und Verkäufe zu steigern.
Bei all den positiven Nachrichten und immer neuen Rekorden betreffend Downloads und monatlichen Nutzern, kommen immer wieder negative News über TikTok zum Vorschein und kleinere und große Bedenken hindern viele Unternehmer im E-Commerce und darüber hinaus immer noch, diesen Marketing- und Absatzkanal zu nutzen. Hier haben wir einige Punkte, die Du bedenken solltest, bevor Du dieses spannende Thema “in Angriff” nimmst:
Anders als etwa Facebook oder Instagram, verfügt TikTok noch über vergleichsweise wenig Erfahrung in seinem Markt und experimentiert immer noch mit möglichen Optionen, Geld zu verdienen. Das verunsichert viele Online Händler und ist damit ein ausschlaggebender Grund, noch abzuwarten.
Ein weiterer Punkt, den man als E-Commerce Unternehmen in Europa nicht vernachlässigen darf, ist woher der Großteil der Nutzer kommt und selbstverständlich, ob das mit den eigenen Zielsetzungen und Anforderungen übereinstimmt. Denn bei den ungreifbaren Zahlen, die regelmäßig genannt werden, darf man nicht vergessen, dass der Großteil davon auf Indien, China und die USA zurückfällt. Obwohl die Zahlen im Vergleich klein erscheinen mögen, steigen die Downloads des Netzwerks in Europa, besonders in Deutschland, Österreich, Frankreich oder auch Großbritannien. Zahlen von Dezember 2019 zeigen dabei, dass Deutschland (5.5 Mio.) vor UK (5.4 Mio.), Frankreich (4.4 Mio.), Spanien (3.5 Mio.) und Italien (3 Mio.), derzeit den attraktivste Markt für die Plattform in Europa darstellt.
Grobe Probleme hatte das chinesische Unternehmen bisher mit der ethischen Rechtfertigung seiner Marketingmaßnahmen und darüber hinaus seines Geschäftsmodells. So gab es im vergangenen Jahr vermehrt schlechte Publicity. In die Kritik geriet man unter anderem für den schlechten Umgang mit Daten von Kindern. Im April 2019 wurde dann sogar TikTok in Indien verboten, weil nicht genug auf Kinder und deren Sicherheit im Netz geachtet wurde. Nach Anpassungen wurde das Urteil nach kurzer Zeit, ebenso wie in einem ähnlichen Fall in Indonesien, wieder aufgehoben.
Neben dem bereits genannten Gründen, spielt die Sorge der Datensicherheit beim chinesischen Unternehmen eine entscheidende Rolle, warum manche E-Commerce Unternehmen davor zurückschrecken und den Schritt zur Zusammenarbeit nicht wagen. Artikel, wie jener von der New York Times, schüren dabei die Ängste, die einige Entscheidungsträger von Online-Shops haben. Dabei wird vermutet, dass China seine Finger mit im Spiel hat, um zum einen Daten ausländischer Unternehmer zu sammeln und zum anderen die Zensur im eigenen Land unter Kontrolle zu behalten.
Aufgrund all dieser Probleme hat TikTok angekündigt, 2020 besonders hohen Wert auf Datensicherheit und das Wohlergehen junger Nutzer zu achten.
Im Moment gibt es vier verschiedene Möglichkeiten auf TikTok zu werben:
Die Hashtag-Challenge ist ein Spiel, das User dazu anregt und ermutigt verschiedenen Content zu erschaffen und unter einem gesponserten Hashtag zu posten. Die Produkte können dann in der App selbst gekauft werden.
Das US-amerikanische Lebensmittelgeschäft Kroger war mit der #TransformUrDorm Challenge der Vorreiter. Dabei sollten Studenten ihr Zimmer in Studentenheimen verändern und dabei Kurzvideos von der Veränderung posten. Ganz nebenbei wurden sie dazu eingeladen Produkte wie Kaffeemaschinen und andere Haushaltsgeräte von Kroger zu kaufen. Dazu wurden vier TikTok Creator engagiert, um den Hashtag bekannter zu machen. Dieser gesponserte Hashtag hat mittlerweile knapp 500 Millionen Views auf hunderten verschiedenen Videos und zeigt das Potenzial dieser Methode für E-Commerce Unternehmen.
Kosten: Ab $100 000 (Adweek, 2019). Dazu wird in etwa nochmal der gleiche Betrag empfohlen, um die Challenge zu promoten.
Dabei handelt es sich um Werbungen, die erscheinen, wenn die Nutzer “scrollen”. Diese Werbebotschaften fliegen sozusagen durch den Feed und stören so die Nutzer nur minimal. Derzeit bietet TikTok E-Commerce Unternehmen die Möglichkeit die Zielgruppe via Geschlecht, Alter und Ort auszuwählen oder auszuschließen. Die Kosten können durch drei verschiedene Arten verrechnet werden. Diese sind Cost per Click (CPC), Cost per Impression (CPM) und Cost per View (CPV).
Kosten: Ab ungefähr 500$ pro Tag (abhängig von Reichweite, Zielgruppe etc.)
Sogenannte Brand Takeovers sind die extremste Form der Werbung auf TikTok und sind aus diesem Grund auch auf einen Werber pro Tag limitiert. Die werbende Marke übernimmt (“takes over”) dabei den Startbildschirm. Bei einem Click darauf, wird der Nutzer auf eine andere Seite weitergeleitet.
Kosten: $20 000 - $200 000 pro Tag (Digiday, 2019)
Dabei handelt es sich um 3D Sticker und verschiedene Gesichtsfilter, die verwendet werden können um lustige, gruselige oder einfach schöne “Geschichten” zu erzählen. Sie erhöhen das Engagement mit der App und sind generell etwa mit den Augmented Reality (AR) Filtern von Instagram und Snapchat vergleichbar.
Interessant ist übrigens auch, dass TikTok Influencer ab 2,5 Millionen Follower etwa 600 - 1000$ verrechnen, während Influencer auf Instagram etwa 100$ pro 10 000 Follower verrechnen. Damit kostet ein Follower auf Instagram mehr als 25 mal so viel wie jener auf TikTok.
Selbstverständlich fragt Du Dich jetzt aber als E-Commerce Unternehmer, wie Du die Chance nutzen kannst und Deine Marke mithilfe von TikTok stärken kannst.
Lade selbst relevante und interessante Inhalte hoch. Diese Methode ist eine, die innerhalb des Unternehmens erledigt wird und sehr positive Effekte haben kann.
Diese Methode kann sehr effizient sein, wie auf jeder anderen Plattform aber auch “ins Leere gehen”. Achte deshalb genau darauf, dass der jeweilige Influencer auch ein guter “Fit” für Deine Marke ist. Arbeite also mit der passenden Person zusammen und verbreite Deine Inhalte innerhalb Deiner Zielgruppe im Vergleich zu Instagram oder Ähnlichem kostensparend.
Natürlich ist TikTok bei weitem noch nicht so ausgereift wie Facebook oder Instagram was etwa das Targeting betrifft. Trotzdem bringt es großes Potenzial und viele Chancen mit sich. Überlege gut welche deroben erklärten 4 Werbemethoden für Deine Ziele am vielversprechendsten sind.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass TikTok mit Sicherheit weiterhin von jedem Marketer im E-Commerce beobachtet werden sollte und das obwohl es einige kritische Aspekte zu beachten gibt. Auch die Entwicklung des Unternehmens in diesen unangenehmen Bereichen sollte weiter im Auge behalten werden. Stimmt die Zielgruppe der App mit jener Deines Online-Shops überein, ist TikTok mit Sicherheit eine attraktive Alternative, oder in den meisten Fällen eher eine Ergänzung zum bisherigen Social Media Auftritt. Spannend bleibt auch die weitere Entwicklung des Netzwerks in Europa. Sollte TikTok hier ähnlich viel “Fahrt aufnehmen” wie im amerikanischen und asiatischen Markt, führt für E-Commerce Unternehmen schon bald kein Weg mehr daran vorbei.